Die praktische Prüfungsrunde zur Platzreife ist beinahe komplett absolviert. Es lief nicht gut, aber auch nicht so schlecht, dass ich mich direkt auf eine Wiederholung einstellen musste. Nun stehe ich auf dem letzten Grün(Engl.: Green) Die Fläche rund um das Loch, auf der nur geputtet wird. , habe noch genau einen Schlag frei, um die Reifeprüfung zu bestehen. Der anstehende PuttGolfschlag, bei dem der Ball mit dem Putter auf dem Grün eingelocht wird. Der Ball soll dabei nur rollen. ist nicht unmöglich, aber auch nicht locker und mit links zu machen. Volle Konzentration ist nun angesagt.
Ich schwitze. Erstaunlich, denn noch immer ist es nicht wirklich warm an diesem Frühjahrstag. Aber auch doch nicht erstaunlich, denn der mentale Druck ist gerade enorm. Der Putt muss versenkt werden, schaffe ich das nicht, werde ich das ersehnte Zertifikat heute nicht in den Händen halten dürfen.
Natürlich, sollte ich patzen, gäbe es die Möglichkeit, den theoretischen überzähligen Schlag „wegzuschummeln“. Benötige ich mehr als erlaubt, muss ich das ja nicht notieren. Ich bin ganz sicher, dass es einige heute so handhaben werden, denn wirklich genau überwacht werden wir ja nicht.
Nicht mit einer Lüge beginnen
Aber ich will meine „Golfkarriere“, sollte es wirklich eine werden, ja nicht mit einer Lüge beginnen. Deshalb möchte ich gar nicht erst in die Situation kommen, darüber nachdenken zu müssen, ob ich hier ehrlich bin oder nicht. Also: rein mit dem Putt, so denke und wünsche ich mir.
Noch immer stehe ich auf dem Grün, versuche meine Gedanken zu sammeln. Ich spreche den Ball an, blicke zum Loch, wieder zum Ball, wieder zum Loch. Gehe nochmal einen Schritt zurück, um die Pendelbewegung aus den Schultern nochmals kurz zu üben. Hin und her, der Schläger schwingt wie das Perpendikel einer Standuhr.
Jetzt gilt es. Ich trete an den Ball. Angesprochen – und ab dafür. Er läuft Richtung Loch, hüpft ein wenig über eine Rasenunebenheit, ein kurzer Schreckmoment und: versenkt! Ich hab’s geschafft. Punktlandung. Genau die Schlagzahl, die ich maximal haben durfte. Den Freudenschrei verkneife ich mir wegen der Etikette. Aber eine Beckerfaust darf und muss sein. Jetzt erstmal ein Getränk im Clubhaus, bevor es in der Gruppe zur Theorieprüfung geht.
Die Abfrage der Regelkunde läuft dann übrigens nicht nur sehr human ab, sondern auch angelehnt ans wahre Leben. Meint: auch auf dem Platz darf über Regeln gesprochen werden, so also auch jetzt. Zudem darf das Regelbuch benutzt werden.
Es ist ein Katalog von 30 Fragen zu beantworten, von denen sich 15 mit den Golfregeln beschäftigen, 12 mit der Golf-Etikette und 3 mit dem Golfspiel im Allgemeinen. 30 Minuten haben wir dafür Zeit. Kein Hexenwerk, stellen wir schnell fest, diskutieren über die eine oder andere Situation, um sie regelgerecht auflösen zu können. Die meisten Fragen sind aber leicht und ohne Hilfe zu beantworten.
So müssen wir wissen, was unter „Handicap“ oder „Pitchgabel“ zu verstehen ist, wie man sich bei Gewitter verhalten sollte, wie lange ein Ball im Rough gesucht werden darf oder auch was passiert, wenn ich die Fahne mit einem vom Grün gespielten Ball treffe.
Wir müssen erläutern, was die roten Pfähle auf dem Platz für eine Bedeutung haben oder wie man sich verhält, wenn der Ball auf dem AbschlagFarblich gekennzeichnete ebene Fläche, von der aus der erste Schlag auf ein Loch absolviert wird. beim Ansprechen versehentlich vom Tee gestoßen wird.
Schließlich wird noch gefragt, ob Laub auf dem Grün entfernt werden darf, wie viele Spieler maximal in einer Spielgruppe, einem FlightIn der Umgangssprache eine Gruppe von Golfern, die gemeinsam spielen. Diese Gruppe ist jedoch bei korrektem Sprachgebrauch eine Spielergruppe, ein Spiel oder ein Match. Die Bezeichnung Flight wird im englischen... , unterwegs sein dürfen und welche Anzahl an Schlägern maximal im eigenen BagEnglische Bezeichnung für die Golftasche. sein dürfen.
Theorieprüfung ist zu schaffen
Nach kurzer Anspannung aller Teilnehmer zu Beginn, macht sich bald Entspannung breit. Wie uns von Nick schon vorab gesagt wurde, so dürfte hier niemand durchfallen. Und das erkennen wir auch schnell. Es ist zu schaffen, die Praxis war für die meisten die deutlich höhere Hürde.
Letztlich konnten dann, nach einer schnellen Durchsicht der Prüfungsbögen durch Nick, auch fast alle Teilnehmer ihr Platzreife-Zertifikat entgegennehmen. Nur einer nicht. Er hatte bei der Praxisprüfung zwei Schläge zuviel benötigt und diese auch wahrheitsgemäß notiert.
Und obwohl mancher aus diesem Anlass den Kopf schüttelte, so blieb mir nur eines zu sagen: Hochachtung vor so viel Ehrlichkeit. Ich weiß nicht, ob ich dazu den Mut gehabt hätte.
Übrigens: Nach einer zusätzlichen Praxisstunde bei Nick gab es dann einige Tage später auch für diesen Golfer das Zertifikat. Die Prüfung musste er nicht komplett wiederholen. Das zusätzliche Geld für die Trainerstunde war sicher gut investiert und riss auch kein großes Loch in den Geldbeutel.
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